Wenn der Gesamtumsatz in einem Kalenderjahr die Kleinunternehmergrenze nicht überschreitet, besteht unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von der Umsatzsteuer in Österreich. Man nennt diese Steuerbefreiung „Kleinunternehmerregelung„.
Das Abgabenänderungsgesetz 2024 bringt nun eine umfassende Reform der Kleinunternehmerregelung im Bereich der Umsatzsteuer mit sich.
Erstmals können auch Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, diese Befreiung in Anspruch nehmen.
Die Änderungen treten ab dem 1. Januar 2025 in Kraft. Für Umsätze bis 31. Dezember 2024 gilt also noch die alte Rechtslage.
Allgemeines
Wird die Kleinunternehmerregelung angewendet, muss das Unternehmen keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen und somit auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Außerdem muss das Unternehmen keine Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) oder Jahreserklärung abgeben. Da es sich um eine unechte Steuerbefreiung handelt, steht jedoch auch kein Vorsteuerabzug zu.
Damit die Kleinunternehmerregelung anwendbar ist, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Das Unternehmen muss seinen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in der EU haben.
- Die Kleinunternehmergrenze in Höhe von 55.000 Euro (bis 31. Dezember 2024: 35.000 Euro) wurde weder im vorangegangenen noch im laufenden Kalenderjahr überschritten.
Hat das Unternehmen seinen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit im Inland, gelten lediglich die oben genannten Voraussetzungen und die Kleinunternehmerregelung gilt antragslos ab dem ersten Umsatz. Soll die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch genommen werden, muss die Option zur Steuerpflicht ausgeübt werden.
Anders als bei inländischen Unternehmen ist die Kleinunternehmerregelung bei Unternehmen mit Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat nur auf Antrag anwendbar und es sind zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen weitere Voraussetzungen zu erfüllen.
Ermittlung der Kleinunternehmergrenze
Die Kleinunternehmergrenze darf weder im laufenden noch im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten worden sein.
Beispiel:
Bei der Ermittlung der Kleinunternehmergrenze sind grundsätzlich sämtliche Umsätze zu berücksichtigen, die im Kalenderjahr ausgeführt wurden. Das heißt, es sind sämtliche vom Unternehmen ausgeführten B2C und B2B Umsätze miteinzubeziehen, die im Inland steuerbar sind. Umfasst sind daher auch innergemeinschaftliche Lieferungen sowie diesen gleichgestellte Verbringungen.
Nicht miteinzubeziehen sind hingegen Umsätze, die das Unternehmen eingangsseitig empfängt, auch wenn es für diesen Umsatz die Steuer schuldet (innergemeinschaftliche Erwerbe oder Empfang von Reverse Charge Leistungen).
Anders als bei der bis 31. Dezember 2024 geltenden Kleinunternehmerregelung ist jedoch bei der Berechnung der Kleinunternehmergrenze nicht auf eine unterstellte Steuerpflicht abzustellen. Das heißt, es ist das gesamte vereinbarte Entgelt zu berücksichtigen.
Beispiel:
Nicht in die Kleinunternehmergrenze miteinzubeziehen sind folgende Umsätze:
- Hilfsgeschäfte, einschließlich der Geschäftsveräußerung im Ganzen
- Umsätze, die nach § 6 Abs 1 Z 8 lit d und j, Z 9 lit b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 Umsatzsteuergesetz (UStG) (unecht) steuerfrei sind, z.B. Lieferung von Anlagengold, Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder, Umsätze von Pflege- und Tagesmüttern, Umsätze aus Heilbehandlungen als Arzt
Hinweis
Weist ein Kleinunternehmen trotz Anwendung der Steuerbefreiung Umsatzsteuer in einer Rechnung gesondert aus, so schuldet es diesen Steuerbetrag dem Finanzamt, sofern es die Rechnung nicht gegenüber seiner Leistungsempfängerin/seinem Leistungsempfänger berichtigt.
Überschreiten der Kleinunternehmergrenze
Wird die Kleinunternehmergrenze überschritten, kann die Kleinunternehmerbefreiung im darauffolgenden Kalenderjahr jedenfalls nicht mehr angewandt werden.
Im Kalenderjahr des Überschreitens kann die Kleinunternehmergrenze noch bis Ende des Jahres angewandt werden, wenn die Grenze um nicht mehr als 10 Prozent überschritten wird.
Beispiel:
Überschreitet das Unternehmen die Kleinunternehmergrenze um mehr als 10 Prozent, fällt die Befreiung für den Umsatz, mit dem die Grenze überschritten wird, und für alle nachfolgenden Umsätze weg.
Beispiel:
Option zur Steuerpflicht
Es besteht die Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen zu verzichten und hierdurch zur Steuerpflicht zu optieren. In diesem Fall erfolgt die Besteuerung nach den allgemeinen Grundsätzen (steuerpflichtige Umsätze verbunden mit dem Recht auf Vorsteuerabzug). Das Unternehmen muss bei Ausübung der Option zur Steuerpflicht UVAs und eine Umsatzsteuerjahreserklärung einreichen.
Bis zur Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheides kann gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklärt werden, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Diese Erklärung, die widerrufen werden kann, bindet für fünf Jahre.
Hinweis
Kleinunternehmen haben nur dann einen Anspruch auf Erteilung einer UID-Nummer, wenn sie diese für Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten benötigen. Für diese Zwecke können sie eine UID-Nummer beantragen (Formular U15).
Alte Rechtslage
Bis 31. Dezember 2024 können nur Unternehmen mit Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in Österreich die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Die Kleinunternehmergrenze beträgt 35.000 Euro netto, wobei eine Berechnung bei unterstellter Steuerpflicht vorzunehmen ist. Bei Überschreiten der Kleinunternehmergrenze kommt es zu einer rückwirkenden Steuerpflicht der Umsätze für das gesamte Kalenderjahr. Für weitere Informationen zur alten Rechtslage siehe die Umsatzsteuerrichtlinien (UStR).
Ausweitung auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten
Bisher war die Kleinunternehmerregelung auf Unternehmen beschränkt, die ihren Sitz in Österreich hatten. Zukünftig können auch Unternehmen aus anderen EU-Staaten diese Befreiung nutzen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:
- der unionsweite Jahresumsatz übersteigt den Schwellenwert von 100.000 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht und im laufenden Jahr noch nicht und,
- die Umsätze im jeweiligen Mitgliedstaat dürfen die dort festgelegte Kleinunternehmergrenze nicht überschreiten und
- der Antrag auf Befreiung muss im Ansässigkeitsstaat gestellt werden.
Wird der unionsweite Schwellenwert von 100.000 EUR überschritten, endet die grenzüberschreitende Kleinunternehmerbefreiung ab dem Umsatz, mit dem diese Grenze überschritten wurde.
Nach Antragstellung erhält das Unternehmen eine spezielle Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit dem Suffix „-EX“ (EX-ID), was es als Kleinunternehmer ausweist.
Rechtsgrundlagen
- Umsatzsteuerrichtlinien 2000 – Kleinunternehmer
- § 6 Umsatzsteuergesetz (UStG)
- Progressionsabgeltungsgesetz 2025
- Abgabenänderungsgesetz 2024
- Steuerreformgesetz 2020, BGBl I Nr. 103/2019
- Jahressteuergesetz 2018 (JStG 2018), BGBl I Nr. 62/2018, betreffend Änderung Art 3a Abs 5 UStG („elektronische Dienstleistungen“)
Formulare
- Steuerbefreiung für Kleinunternehmer – Verzicht – U12 zur Abgabe der Verzichtserklärung
- Antrag auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer – U 15 zur Beantragung einer UID-Nummer z.B. für Reverse Charge Umsätze oder innergemeinschaftliche Erwerbe
Fragen zum Beitrag, interessanten Studienangeboten und Lehrgängen bitte an martin.stieger@allensbach-hochschule.de
Prof. Dr. Dr. Martin Stieger
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