Weil ich immer wieder gefragt werde und dazu auch schon mehrere Blogbeiträge veröffentlicht habe, möchte ich einmal mehr „Ernährungstraining“ und „Ernährungsberatung“ sowie „Ernährungstherapie“ klar abgrenzen.
Die Ernährungsberatung bietet allgemeine Informationen und individuelle Entscheidungshilfen zu Fragen bezüglich Essverhalten, Lebensmitteln etc. Sie hilft sich gesund zu ernähren und Ernährungsrisiken zu vermeiden.
Die Ernährungstherapie vermittelt individuelle Maßnahmen und darf nur durch berechtige Gesundheitsberufe durchgeführt werden.
Unterschied zwischen Ernährungsberatung und -therapie?
Eine Ernährungsberatung soll das eigene Essverhalten mit den Ernährungsempfehlungen in Einklang bringen. Sie dient der Vorbeugung ernährungsabhängiger Krankheiten (Primärprävention). In der Ernährungsberatung werden allgemeine Ernährungsstrategien erarbeitet, um eine Änderung ungünstiger Ernährungsgewohnheiten zu erreichen. Die Ernährungsempfehlungen orientieren sich an der Österreichischen Ernährungspyramide.
Die Ernährungstherapie beinhaltet konkrete individuelle Pläne und verhaltenstherapeutische Maßnahmen in Hinblick auf eine bestimmte Krankheit. Viele Beschwerden und Krankheiten lassen sich durch Anpassungen in der Ernährung in ihrem Verlauf positiv beeinflussen bzw. regulieren. Mittels ernährungstherapeutischer Maßnahmen kann in das Krankheitsgeschehen eingegriffen werden. Ernährungstherapeutische bzw. diaetologische Maßnahmen können dazu beitragen, eine eventuell bestehende medikamentöse Behandlung positiv zu unterstützen. Zudem müssen die Maßnahmen in den Alltag integrierbar sein. Gelegentlich kann eine Ernährungsumstellung sogar dazu führen, dass die medikamentöse Therapie eingestellt werden kann.
Hinweis
Die oft genannten Begriffe „Diät“ oder „diätologisch“ beschränken sich in ihrer Bedeutung nicht nur auf die Gewichtsreduktion. Die Diätetik umfasst konkrete Ernährungsmaßnahmen in Hinblick auf sämtliche Erkrankungen und nicht nur Übergewicht oder Adipositas.
Wer darf eine Ernährungsberatung oder -therapie durchführen?
Das Angebot an Ernährungsberatung und die Vielfalt der dabei geläufigen Berufsbezeichnungen ist komplex. Auf der Suche nach Ernährungsberatung ist es für den Laien schwierig, qualifizierte von unqualifizierten Angeboten zu unterscheiden.
Beim Vorliegen einer ernährungsassoziierten Krankheit sind in Österreich nach § 2 Abs. 4 des MTD-Gesetzes zur Ernährungsberatung bzw. -therapie ausschließlich berechtigt:
- Ärztinnen/Ärzte mit Spezialdiplom „Ernährungsmedizin“ (umgangssprachlich „Ernährungsmedizinerin/Ernährungsmediziner) oder
- Diätologinnen/Diätologen.
Ernährungswissenschafterinnen/Ernährungswissenschafter (akademisches Universitätsstudium) haben keine Berufsberechtigung für medizinische Ernährungsberatung und -therapie an Kranken oder krankheitsgefährdeten Personen.
In Österreich sind ausschließlich Diätologinnen/Diätologen und Ärztinnen/Ärzte mit Spezialdiplom „Ernährungsmedizin“ berechtigt, Personen mit gesundheitlichen Problemen und daraus resultierenden speziellen Ernährungsbedürfnissen zu beraten bzw. zu behandeln.
Diätologinnen/Diätologen haben eine Berufsberechtigung als gesetzlich anerkannter Gesundheitsberuf und dürfen gesunde, krankheitsgefährdete sowie kranke Personen beraten.
Medizinerinnen/Mediziner dürfen generell beraten. Das Spezialdiplom „Ernährungsmedizin“ der ÖAK (Österreichische Ärztekammer) ist eine Zusatzqualifikation in der umfassenden Ernährungsberatung bzw. -therapie Gesunder und Kranker.
Zur allgemeinen Beratungstätigkeit zu Ernährungsthemen (auch unter dem Titel „Training“, „Coaching“ etc.) an gesunden Personen OHNE Krankheitsgefährdung oder Krankheit sind neben Gesundheitsberufen nur die Ernährungsberater nach § 119 Gewerbeordnung berechtigt.
Für das reglementierte Gewerbe Ernährungsberatung (im Rahmen des LSB) ist das Universitätsstudium der Ernährungswissenschaften oder die Diätologie-Ausbildung gesetzlich vorgeschrieben.
Wer darf Ernährungstraining anbieten?
Im Rahmen der Dienstleistung Ernährungstraining ist es erlaubt, Informationen und gegebenenfalls Handlungsempfehlungen in persönlicher und/oder individualisierter Weise abzugeben, die dazu bestimmt sind, eine gesundheitsorientierte Ernährungsmodifikation anzuregen und Kunden und Kundinnen auf ihrem Weg zu einer ausgewogenen Lebensweise zu begleiten.
Das österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) hatte als oberste Gewerbebehörde im Jahr 2019 bereits klar gestellt, dass unter dem Begriff Ernährungstraining folgende Tätigkeiten zu verstehen sind:
- Abhalten von Seminaren und Vorträgen zu gesunder Ernährung bzw. Spezialthemen aus diesem Bereich
- Organisation und Durchführung von Workshops, Einkaufsbegleitungen und Kochkursen
- Anregung und Inspiration für diverse Settings, z.B. allg. Ernährungstipps in Fitnessstudios, Restaurants, Cateringunternehmen, gesundheitsbewussten Firmen, etc.
- Schulung und Unterricht von Gruppen und Einzelpersonen zu unterschiedlichen Ernährungsthemen – solange damit nicht Beratung (Bereitstellung von individuellen Lösungen oder gar Therapien), sondern ausschließlich die Vermittlung allgemein gültiger Informationen verstanden wird.
Siehe dazu auch:
Ernährungsberatung, -training oder –coaching?
In einer Entscheidung (4 Ob 9/19f) hat der Oberste Gerichtshof ausdrücklich bestätigt, dass es grundsätzlich zulässig ist, den Begriff „Ernährungstraining“ zu verwenden, ohne dass dies per se irreführend wäre.
Es kommt immer auf die Art der ausgeübten Tätigkeit an.
Im Rahmen der Dienstleistung Ernährungstraining ist es erlaubt, Informationen und gegebenenfalls Handlungsempfehlungen in persönlicher und/oder individualisierter Weise abzugeben, die dazu bestimmt sind, eine gesundheitsorientierte Ernährungsmodifikation anzuregen und Kunden und Kundinnen auf ihrem Weg zu einer ausgewogenen Lebensweise zu begleiten.
Es existiert keine „verbindliche“ oder „abschließende“ Liste, welche alle möglichen freien Dienstleistungs- bzw. Gewerbeaktivitäten erfasst.
Die oben angeführten Tätigkeiten können auch mit weiteren freien Tätigkeiten aller Art kombiniert werden.
Gemäß § 5 Abs 2 erster Satz Gewerbeordnung ist alles, was nicht reglementiert ist, im Sinne eines freien Gewerbes erlaubt.
Allgemeine Wissensvermittlung hingegen unterliegt der Unterrichtsfreiheit.
Nach der bisher vorliegenden höchstgerichtlichen Judikatur (4 Ob 61/14w) ist nach der Österreichischen Rechtslage im Hinblick auf Tätigkeiten, welche ein/e Ernährungstrainer/in vornehmen darf, folgendes gesichert zulässig:
Ernährungstrainer*innen dürfen vornehmen:
- die Auswahl von Nahrungsmittellieferanten;
- den Einkauf und die Auswahl noch Nahrungsmitteln;
- die Zubereitung von Speisen (etwa Vollwertkost) nach einem von dritter Seite erstellten Ernährungs- oder Diätplan;
- die Variation von Speisen im Rahmen des von dritter Seite erstellen Ernährungs- oder Diätplans;
- die Ausarbeitung individueller Rezepte;
- die Führung eines Haushaltsbuches;
- das Zählen von Kalorien;
- die Führung einer Kalorien- oder Gewichtstabelle;
- das Ausmessen von Körpermaßen;
- die Buchführung darüber oder das Führen eines Ernährungsprotokolls.
Dem Ministerium und dem OGH folgend, hat auch die Wirtschaftskammer bereits klargestellt, dass der Begriff „Ernährungstraining“ per se nicht Irreführend ist, sondern es darauf ankommt, welche Tätigkeit ausgeübt wird.
Im Zweifel können entsprechende Hinweise beim Angebot eines Ernährungstrainings, dass keinerlei Tätigkeiten, welche Diätologen oder Ernährungsberatern vorbehalten sind, ausgeübt werden, hilfreich sein.
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Prof. Dr. Dr. Martin Stieger
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