Da ich mich immer wieder mit Fragen zum Berufsrecht, zum EQR, zu Meister- und Befähigungsprüfungen, zum Gewerberecht, zu Qualifikationen ganz allgemein …. beschäftige:
werde ich oft gefragt, warum zwar die Meisterprüfung nach einem Handwerk auf Stufe 6 des NQR zugeordnet wurde, die Befähigungsprüfungen (ebenfalls im § 94 GewO[1] geregelt) aber noch nicht.
Nun, die Antwort ist relativ einfach:
Zwar ist das Gesetz zum Nationalen Qualifikationsrahmen[2] (NQR) bereits am 15.3.2016 in Kraft getreten, aber leider sind bislang erst wenige Qualifikationen dem NQR[3] (in Österreich Qualifikationsregister QR) zugeordnet:
- Lehrabschlüsse und BMS-Abschlüsse (Fachschulen) auf der Stufe 4,
- BHS-Abschlüsse (HTL, HAK etc.) auf der Stufe 5,
- die Ingenieurqualifikation und die Meisterprüfung auf Stufe 6 und
- die hochschulischen Qualifikationen Bachelor, Master und PhD („Bologna-Qualifikationen“) auf den Stufen 6, 7 und 8.
Im § 94 GewO[4] werden alle reglementierten Gewerbe taxativ aufgezählt, inklusive der Handwerke.
Der Oberbegriff ist die Befähigungsprüfung[5] und die Befähigungsprüfung für Handwerke heißt Meisterprüfung.
Die Meisterprüfung ist allerdings klar geregelt und vom Aufbau für jedes Handwerk gleich, so hin konnten die 41 Handwerke oder verbundenen Handwerke recht einfach und pauschal dem Niveau 6 des QR zugeordnet werden:
Jede Meisterprüfung besteht aus fünf Modulen und wird von den Meisterprüfungsstellen der Wirtschaftskammern durchgeführt.
Das WIFI bietet Kurse für alle Meisterberufe, die es gibt.
- Modul 1: fachlich-praktischer Teil A und B (Teil A wird durch eine einschlägige Lehrabschlussprüfung ersetzt)
- Modul 2: fachlich-mündlicher Teil A und B (Teil A wird durch eine einschlägige Lehrabschlussprüfung ersetzt
- Modul 3: fachlich-schriftlicher Teil (Modul 3 wird durch bestimmte in der Prüfungsordnung genannte Studienrichtungen, Fachhochschul-Studiengänge oder berufsbildende höheren Schulen* ersetzt)
- Ausbilderprüfung oder Ersatz der Ausbilderprüfung
- Unternehmerprüfung oder Ersatz der Unternehmerprüfung
Aber für die Befähigungs-Prüfungen gibt es keine einheitlichen Regelungen wie es sie für die Meister-Prüfungen gibt.
Daher müssen die einzelnen Gewerbe nun auch jedes einzeln dem QR zugeordnet werden.
In den allermeisten Fällen wird man auf Grund von Referenzkriterien die Befähigungsprüfungen auch dem Niveau 6 des QR zuordnen.
Auch das Ministerium sieht das so[6] und hat neben dem Gütesiegel „Meisterbetrieb“ auch ein Gütesiegel „staatlich geprüft“ für die AbsolventInnen von Befähigungsprüfungen verordnet.
Das Gütesiegel „Meisterbetrieb“ gilt für alle Handwerke.
Es darf aber nur von einem Gewerbebetrieb geführt werden, dessen Inhaber oder gewerberechtlicher Geschäftsführer die Meisterprüfung erfolgreich abgelegt hat.
Das Gütesiegel „staatlich geprüft“ gilt für jene reglementierten Gewerbe (keine Handwerke), für die eine Befähigungsprüfung vorgesehen ist.
Es darf nur von einem Unternehmen geführt werden, dessen Inhaber oder gewerberechtlicher Geschäftsführer die staatliche Befähigungsprüfung erfolgreich abgelegt hat.
Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat die nähere Ausgestaltung dieses Gütesiegels durch Verordnung über das Gütesiegel „Meisterbetrieb“ (Gütesiegelverordnung), BGBl. II Nr. 313/2009 vom 29.09.2009, festgelegt.
Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat die Verordnung über ein Gütesiegel für reglementierte Gewerbe, die keine Handwerke sind, BGBl. II Nr. 362/2019 vom 29.11.2019, erlassen.
Ich gehe davon aus, dass noch heuer die sonstigen reglementierten Gewerbe (die kein Handwerk sind) der Stufe 6 des NQR zugeordnet und ins Qualifikationsregister entsprechend aufgenommen werden.
Die Gewerbe „Baumeister“ und „Ingenieurbüros“ werden wohl sogar auf Stufe 7 zugeordnet werden.
Rückfragen: martin.stieger@viennastudies.com
Prof. Dr. Dr. Martin Stieger
hält eine Professur für Berufsbildung und Wirtschaftspädagogik an der Hochschule Allensbach in Konstanz, leitet die VIS Vienna International Studies und ist als Unternehmensberater tätig, selbst auch geprüfter Immobilientreuhänder, Vermögensberater, Werbeberater und Werbungsmittler
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Lehrbeauftragter für Politische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich
Honorarprofessor für Fachstudien im Bereich Volks- und Betriebswirtschaft an der R & B Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung, Belgrad und Wien
Mitglied der Wissenschaftskommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung (Wien)
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[1] https://www.jusline.at/gesetz/gewo/paragraf/94
[2] Bundesgesetz über den Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR-Gesetz) StF: BGBl. I Nr. 14/2016
[3] Der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) ist ein Instrument zur Einordnung der Qualifikationen des österreichischen Bildungssystems. Dieses Transparenzinstrument soll einerseits die Orientierung im österreichischen Bildungssystem erleichtern und zum anderen zur Vergleichbarkeit und Verständlichkeit nationaler Qualifikationen in Europa beitragen.
[4] Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 StF: BGBl. Nr. 194/1994
[5] Personen, die eine Meister- oder entsprechende Befähigungsprüfung positiv absolviert haben, erfüllen durch ihre berufliche Qualifikation in der Regel die fachliche Zugangsvoraussetzung zu einem Fachhochschul-Bachelorstudiengang gemäß § 4 Abs. 4 FHStG. Die Einrichtung von Studiengängen und die Beurteilung, ob die berufliche Qualifikation erfüllt ist, obliegt der Fachhochschule im Rahmen ihrer Autonomie
[6] Die Ablegung einer „Befähigungsprüfung“ gemäß § 22 Abs. 1 GewO für ein sonstiges reglementiertes Gewerbe (nicht Handwerk) soll grundsätzlich ebenfalls auf Niveau 6 des NQR und gemäß Struktur einer Meisterprüfung erfolgen. Abweichend können Befähigungsprüfungen gemäß § 22 Abs. 2 eine andere Struktur oder ein anderes Qualifikationsniveau aufweisen, wenn dies im Hinblick auf das Gewerbe bzw. die auszuübenden Tätigkeiten sachlich gerechtfertigt ist. Einzelne Prüfungen (z.B. die Befähigungsprüfung für das Baumeistergewerbe) können auch ein höheres Qualifikationsniveau aufweisen. Dies entspricht den bisherigen (faktischen) Anforderungen an Befähigungsprüfungen.
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