Die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft – natürlich auch der Politik – stellt uns alle vor große Herausforderungen.
Begreift die Politik die „Digitalisierung“ dabei auch als Chance oder sieht sie darin nur ein ubiquitäres Vokabel, eine gut klingende Überschrift für allfällige Regierungs- oder Koalitionsabkommen?
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD:
Ein neuer Aufbruch für Europa.
Eine neue Dynamik für Deutschland.
Ein neuer Zusammenhalt für unser Land
177 Seiten, 8.355 Zeilen, kommt der Begriff „Digitalisierung“ 93-mal vor.
Im Themenfeld „Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung“ ist der Digitalisierung ein eigenes Kapitel (5) gewidmet.
In Österreich ein ähnliches Bild.
Unter
Zusammen.
Für unser Österreich.
Regierungsprogramm 2017 – 2022
haben sich ÖVP und FPÖ auf 179 Seiten auf Inhalte und Vorhaben der gemeinsamen Regierung geeinigt – es finden sich darin zum Thema „Digitalisierung“ 91 Treffer.
Das Thema Digitalisierung wird im Regierungsprogramm in seiner Bedeutung nur noch vom Thema Sicherheit geschlagen und wurde folgerichtig das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in ein Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) umformiert.
Die Regierung ist sich also einig:
„Die Digitalisierung ist eines der wichtigsten Felder für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Österreich. Mit der künftigen Ressortstruktur stärken wir den Standort, ermöglichen mehr Unternehmertum und arbeiten an einer positiven Zukunft für unser Land“[1]
und gönnt sich zum Thema „Zukunft und Gesellschaft“ ein eigenes Kapitel „Innovation und Digitalisierung“.
Naturgemäß lesen sich Regierungsprogramme ostentativ:
„Entscheidend für eine gelungene und erfolgreiche Digitalisierung sind eine entsprechende digitale Sicherheit in allen Bereichen, ein transparenter Umgang mit Daten und die Herstellung technologischer Souveränität. Die Abhängigkeit von außereuropäischen Sicherheitstechnologien macht uns verwundbar – dem gilt es, nachhaltig entgegenzusteuern. Digitale Sicherheit bietet den notwendigen Schutz vor Datenmissbrauch, Identitätsdiebstahl und Cyberkriminalität. Sie ermöglicht Digitalisierung in Form von praktischen Services und sicheren Prozessen für Bürger und Wirtschaft.“ (Seite 32) ….
was aber nicht notwendigerweise bedeutet, dass man dabei nicht richtig liegt.
Die zunehmende Digitalisierung – immer mehr Gegenstände und Prozesse unseres täglichen Lebens werden digital miteinander vernetzt – führt zu tiefgreifenden Änderungen im Informations- und Entscheidungsverhalten des Einzelnen und im menschlichen Miteinander.
Durch ihre Allgegenwart prägen digitale Technologien
- die Art und Weise, wie Menschen miteinander in Verbindung treten,
- wie sie Informationen austauschen,
- wie sie ihre Meinungen bilden und
- wie sie Entscheidungen treffen
und
- digitale Technologien machen Informationen überall und sofort abrufbar.
- Dabei ist die Vertrauenswürdigkeit der verfügbaren Informationen schwer zu beurteilen.
- Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Nutzung digitaler Angebote zu Änderungen der menschlichen Lern- und Wahrnehmungsprozesse führt – z.B. dadurch, dass digitale Assistenten dem Nutzer in immer größerem Maße kognitive Aufgaben abnehmen.
„In dem Maße, in dem Informationsverbreitung, Meinungsbildung, Diskussionen und andere kommunikative Prozesse von digitalen Angeboten geprägt werden, werden auch gesellschaftliche Prozesse stärker durch Digitalisierung beeinflusst.
Versprechen die Möglichkeiten digitaler Medien auf der einen Seite eine größere Zugänglichkeit von Informationen und Mitsprachemöglichkeiten für breite Teile der Bevölkerung, so bringen sie auf der anderen Seite neue Möglichkeiten der Manipulation, die Beförderung selektiver Wahrnehmung und neue Formen eines „digitalen Populismus“ mit sich, der oftmals auch radikale bzw. gewaltgeladene Formen der Ansprache befördert.“ Leopoldina-Symposium, 10. – 11. Juli 2017, Berlin
Da allerdings Johann Wolfgang von Goethe bereits feststellte[2]:
„Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun.“
werden wir die Politik an den Taten messen müssen und bietet sich hier schon eine gute Möglichkeit in der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit (NIS-Richtlinie) – seit 8. August 2016 in Kraft – Österreich muss diese Richtlinie also noch 2018 in nationales Recht umsetzen – und im schon lange – auf Grundlage der österreichischen Strategie für Cyber-Sicherheit – geplanten Cybersicherheitsgesetz.
Siehe auch
Martin Stieger: „Auswirkungen und Folgen der weltweiten Digitalisierung
in Bildung, Politik und Wirtschaft“
Vortrag anlässlich der Führungskräftetagung, A1 Telekom Austria AG,
Wien, 12. März 2018
Rückfragen und weitere Informationen: martin.stieger@liwest.at
Prof. Dr. Dr. Martin G. Stieger
Professur für Berufsbildung und Wirtschaftspädagogik
Allensbach Hochschule
Lohnerhofstrasse 2 ● D-78467 Konstanz
Tel.: +49 7533 919 23 90
Fax.: +49 7533 919 23 91
Email: martin.stieger@allensbach-hochschule.de
Web: http://www.allensbach-hochschule.de
P.S. Vielleicht interessant – wir versuchen in kurzen Filmen Begriffe aus der Betriebswirtschaft zu erklären:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLw22tDtSAPeNeoBb9mVq_Rr3kTCvBN8pl
IMMO Wikis auf youtube:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLw22tDtSAPeOORGqB3VjIWxb2H8Bcm3Gp
[1] Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck, 18. 12. 2017, bei der Übernahme des Ministeriums von Dr. Harald Mahrer
[2] Wilhelm Meisters Wanderjahre, Aus Makariens Archiv.