Als Vortragendem im Bereich Berufsrecht wurde mir von der Akademie aufgetragen folgende Fragen zu beantworten:
1. Das Arbeitnehmerschutzgesetz wurde um die psychische Gesundheit im Unternehmen erweitert. Bin ich, nach absolviertem Kurs und Prüfung, dafür autorisiert, in Unternehmen diese für den Arbeitgeber verpflichtenden Maßnahmen durchzuführen?
2. Im Arbeitnehmerschutzgesetz wird der Gesundheitsbegriff und die Gefahrenverhütung modernisiert. Inbesondere erfolgt eine Erweiterung um die psychische Gesundheit (Stress, Monotonie etc.)?
Nun, dann versuche ich das mal:
Das Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG) BGBl. Nr. 450/1994 i.d.g.F. weitert in der Tat den § 2 Abs. 7:
„Unter Gefahrenverhütung im Sinne dieses Bundesgesetzes sind sämtliche Regelungen und Maßnahmen zu verstehen, die zur Vermeidung oder Verringerung arbeitsbedingter Gefahren vorgesehen sind. Unter Gefahren im Sinne dieses Bundesgesetzes sind arbeitsbedingte physische und psychische Belastungen zu verstehen, die zu Fehlbeanspruchungen führen.“
mit der Novelle durch das BGBl. I Nr. 118/2012 um den Abs. 7 a:
„Unter Gesundheit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist physische und psychische Gesundheit zu verstehen.“
Das ASchG verwendet in den mehr als 130 §§ auf fast 80 Seiten das Wort „Gesundheit“ mehr als 180 mal, „psychische Gesundheit“ genau 1 x (eben im oben angeführten § 2 Abs. 7 a)
Die Worte „Stress“ und „Monotonie“ finden sich im ASchG nicht.
Das macht aber nichts da ja im ASchG das Wort „Gesundheit“ sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit umfasst.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als „Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und daher weit mehr als die bloße Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen“ und psychische Gesundheit (mental health): „Mental health ermöglicht es Menschen, ihre Fähigkeiten auszuschöpfen und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft zu leisten.“
Nach dem heute gängigen biopsychosozialen Modell wird die psychische Gesundheit durch ein komplexes System biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren bedingt.
Der Gesetzgeber selbst definiert sein Verständnis von psychischer Gesundheit noch nicht wirklich, aber auch das macht nichts, da es ja recht brauchbare andere Definitionen gibt.
Doch zurück zum ASchG. Dieses regelt im § 3. (1) die Verpflichtung der Arbeitgeber:
Arbeitgeber sind verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Die Kosten dafür dürfen auf keinen Fall zu Las- ten der Arbeitnehmer gehen. Arbeitgeber haben die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit sowie der Integrität und Würde erforderlichen Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Maßnahmen zur Verhü- tung arbeitsbedingter Gefahren, zur Information und zur Unterweisung sowie der Bereitstellung einer geeigneten Organisation und der erforderlichen Mittel.
und im § 10 die Bestellung von Sicherheitsvertrauenspersonen:
(1) Arbeitgeber haben nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 Sicherheitsvertrauenspersonen in ausreichender Anzahl zu bestellen. Die Mindestanzahl der Sicherheitsvertrauenspersonen ist unter Berücksichtigung der Anzahl der Arbeitnehmer festzulegen. Sicherheitsvertrauenspersonen sind Arbeitnehmervertreter/innen mit einer besonderen Funktion bei der Sicherheit und beim Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer/innen.
(2) Für Betriebe im Sinne des § 34 des Arbeitsverfassungsgesetzes sowie gleichgestellte Arbeitsstätten im Sinne des § 35 des Arbeitsverfassungsgesetzes, für die Belegschaftsorgane bestehen, gilt folgendes:
1. Sicherheitsvertrauenspersonen sind zu bestellen, wenn in einem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden.
2. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 159/2001)
3. Die Bestellung bedarf der Zustimmung der zuständigen Belegschaftsorgane. Dies gilt auch dann, wenn ein Betriebsratsmitglied die Aufgaben einer Sicherheitsvertrauensperson übernimmt.
…..
(5) Die Bestellung von Sicherheitsvertrauenspersonen hat auf die Dauer von vier Jahren zu erfolgen. Eine vorzeitige Abberufung von Sicherheitsvertrauenspersonen hat bei Betrieben im Sinne der Abs. 2 und 3 auf Verlangen der zuständigen Belegschaftsorgane, im Fall des Abs. 4 auf Verlangen von mindestens einem Drittel der Arbeitnehmer zu erfolgen.
(6) Als Sicherheitsvertrauenspersonen dürfen nur Arbeitnehmer/innen bestellt werden. Sie müssen die für ihre Aufgaben notwendigen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Arbeitgeber haben den Sicherheitsvertrauenspersonen unter Bedachtnahme auf die betrieblichen Belange Gelegenheit zu geben, die für ihre Tätigkeit erforderlichen näheren Fachkenntnisse zu erwerben und zu erweitern.
(7) Arbeitgeber haben sicherzustellen, daß den Sicherheitsvertrauenspersonen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche Zeit unter Anrechnung auf ihre Arbeitszeit zur Verfügung steht. Den Sicherheitsvertrauenspersonen sind die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Behelfe und Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Sicherheitsvertrauenspersonen sind angemessen zu unterweisen.
(8) Arbeitgeber sind verpflichtet, die Namen der Sicherheitsvertrauenspersonen dem Arbeitsinspektorat schriftlich mitzuteilen. Das Arbeitsinspektorat hat diese Mitteilungen den zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer zur Kenntnis zu bringen.
(9) Die Bestellung von Sicherheitsvertrauenspersonen berührt nicht die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften. Den Sicherheitsvertrauenspersonen kann die Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht rechtswirksam übertragen werden. §§ 15 und 130 Abs. 4 gelten auch für Sicherheitsvertrauenspersonen.
Und was ist nun eine solche SVP – Sicherheitsvertrauenspersonen?
Die Sicherheitsvertrauensperson (SVP) nach (ASchG) ist ein Arbeitnehmer, der eine besondere Funktion in Bezug auf Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Unfallverhütung in einem Betrieb ausübt. Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP) beraten die ArbeitnehmerInnen in Sicherheits- und Gesundheitsfragen und achten auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften.
Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sieht die Bestellung von SVP ab 11 ArbeitnehmerInnen vor.
Bestellung
Für die Bestellung der SVP ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich. In Betrieben, wo kein Betriebsrat besteht, müssen alle ArbeitnehmerInnen über die beabsichtigte Bestellung informiert werden. Wenn mindestens ein Drittel der ArbeitnehmerInnen gegen die Bestellung Einwände erhebt, so muss jemand anderer als SVP vorgeschlagen werden.
Abberufung
SVP können auch abberufen werden. Dort, wo Betriebsräte bestehen, geschieht dies über Verlangen des Betriebsrates, gibt es keinen Betriebsrat, muss ein Drittel der ArbeitnehmerInnen zustimmen.
Meldung ans Arbeitsinspektorat
Der Arbeitgeber hat die bestellten SVP dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu melden. Diese Meldung leitet das Arbeitsinspektorat an die Arbeiterkammern weiter.
Wer SVP werden kann
Entscheidend für die Tätigkeit der SVP ist natürlich Fachwissen auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes. Hier verlangt der Gesetzgeber, dass sie über die fachlichen und persönlichen
Voraussetzungen verfügen müssen.
Diese Voraussetzungen finden wir in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP-VO) BGBl. Nr. 172/1996 i.d.g.F. im § 4.:
(1) Bei der Auswahl der Sicherheitsvertrauenspersonen ist nach Möglichkeit auf eine angemessene Vertretung der betrieblichen Bereiche (z.B. Produktion und Verwaltung) und der regionalen Bereiche (z.B. Filialen) sowie auf eine dem Beschäftigtenstand entsprechende Vertretung von Frauen und Männern zu achten. Bei mehrschichtiger Arbeitsweise ist darauf zu achten, dass nach Möglichkeit alle Schichten entsprechend betreut werden können.
(2) Als Sicherheitsvertrauenspersonen dürfen nur Arbeitnehmer/innen bestellt werden, die die für ihre Aufgaben notwendigen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Die notwendigen fachlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn eine Sicherheitsvertrauensperson eine Ausbildung auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes im Ausmaß von mindestens 24 Unterrichtseinheiten absolviert hat. Eine Unterrichtseinheit muss mindestens 50 Minuten umfassen.
(3) Sicherheitsvertrauenspersonen, die vor ihrer Bestellung keine Ausbildung nach Abs. 2 absolviert haben, ist innerhalb des ersten Jahrs der Funktionsperiode Gelegenheit zu geben, die für ihre Tätigkeit erforderlichen Fachkenntnisse durch eine solche Ausbildung zu erwerben.
(4) Abs. 3 gilt auch für Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 ASchG die Aufgaben einer Sicherheitsvertrauensperson übernehmen.
Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, den SVP Gelegenheit zum Erwerb und auch zur Erweiterung dieser Kenntnisse zu geben. Überdies ist in der Verordnung über Sicherheitsvertrauenspersonen festgelegt, dass Arbeitnehmer, die neu zur SVP bestellt werden, eine Ausbildung im Ausmaß von 24 Unterrichtseinheiten auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes zu besuchen haben. Solche Weiterbildungskurse bieten zum Beispiel die Arbeiterkammern an.
Aufgabengebiet
Die SVP haben in allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes die Arbeitnehmer- und die Belegschaftsorgane zu informieren, zu beraten und sie zu unterstützen. Sie haben mit den Belegschaftsorganen, den Sicherheitsfachkräften und den Arbeitsmedizinern zusammenzuarbeiten. Sie haben auch auf die Verwendung von Schutzeinrichtungen und die Anwendung von Schutzmaßnahmen zu achten.
Über Mängel ist der Arbeitgeber bzw. die Sicherheitsfachkraft und der Betriebsrat bzw. die Personalvertretung unverzüglich zu informieren. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, die Arbeitnehmer zur Mitarbeit in Belangen des Arbeitnehmerschutzes anzuregen. SVP sollten stets Vorbild sein und Kolleginnen und Kollegen zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften motivieren.
Mitwirkungsrechte
Im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sind auch die Mitwirkungsrechte für die SVP geregelt. Demnach sind sie berechtigt, in allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei den Arbeitgebern und den dafür zuständigen Stellen die notwendigen Maßnahmen zu verlangen, Vorschläge für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu machen und die Beseitigung von Mängeln zu verlangen.
Verpflichtung des Arbeitgebers
Sind keine Belegschaftsorgane errichtet, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die SVP bei der Auswahl der persönlichen Schutzausrüstung, bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und der Festlegung von Maßnahmen sowie bei der Planung und Organisation der Unterweisung zu beteiligen. Bei der Planung und Einführung neuer Technologien sind die SVP zu den Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit der ArbeitnehmerInenn zu hören.
Von der SVP zu unterscheiden ist die Sicherheitsfachkraft (Fachkraft für Arbeitssicherheit) gem. § 73 ff ASchG, die die erforderlichen Fachkenntnisse durch ein Zeugnis über den erfolgreichen Abschluß einer vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz anerkannten Fachausbildung nachzuweisen hat.
Einen abgeschlossenen BOT-Lehrgang mit 140 UE und 100 Stunden Literaturstudium würde ich als Nachweis der geforderten Ausbildung auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes im Ausmaß von mindestens 24 Unterrichtseinheiten ansehen.
Erforderlichenfalls könnte man das mit einem Zusatzzertifikat durch die Akademie ja auch sicherstellen.