Die Statutarstadt (1) Wels liegt im Herzen des Landes Oberösterreich und ist mit mehr als 61.000 Einwohnern die siebtgrößte Stadt Österreichs und nach der Landeshauptstadt Linz die zweitgrößte Stadt in Oberösterreich.(2)
Die Diskussion um die bestmögliche Besorgung der kommunalen Aufgaben, deren Umfang und Notwendigkeit, macht natürlich auch vor der Stadt Wels nicht halt.
Auch die Stadt Wels hat sich wie alle Gemeinden von der Ordnungsgemeinde zur Leistungsgemeinde weiterentwickelt und leistet Daseinsvorsorge für die Gemeindebürger: Kindergärten, Pflichtschulwesen, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung, Gemeindestraßen, Straßenbeleuchtung, Schwimmbäder, Sport- und Spielplätze, Naherholungseinrichtungen, öffentlicher Verkehr, Kranken- und Altenpflege, Stadtmarketing und Tourismus …….
Die Stadt Wels unterhält eine Reihe von Beteiligungen wie etwa an der Messe Wels, der Elektrizitätswerk Wels AG und der Sparkasse OÖ Bank AG, besitzt ein eigenes Bestattungsunternehmen und ist der größte Wohnungseigentümer und –vermieter der Stadt.(3)
Die Stadt Wels ist also an vielen Unternehmungen beteiligt, was auf den ersten Blick hin, nicht sogleich mit der städtischen Aufgabe der Ordnungs- und Daseinsvorsorge in Einklang zu bringen ist.
In Zeiten knapper Gemeindefinanzen wird daher die Diskussion natürlich auch mit Fragen der Ausgliederung oder Privatisierung städtischer Bereiche geführt.
Die OMV, die VOEST, die Post, die Telekom werden dabei immer wieder als Beispiele gebracht, wonach die Privatisierung nicht nur finanzielle Mittel in klamme Kassen, sondern zudem eine „deutliche Verbesserung der Performance“ gebracht hätte (4), weil die Öffentliche Hand eben nicht in der Lage wäre, Wirtschaftsunternehmen effizient und effektiv zu betreiben und dennoch verhinderten z.B. die Bürger von Leipzig die Privatisierung ihres Stadtwerks durch eine Volksabstimmung und schon 2003 hatten die Städte Dortmund und Bochum den Versorger Gelsenwasser (5) von E.ON für 830 Millionen Euro gekauft und damit rekommunalisiert.
In Deutschland werden immer mehr Strom-, Gas- und Wasserversorger, aber auch Abfallentsorger rekommunalisiert, also das vormals an Dritte verkaufte Eigentum wieder in die kommunale Hand rückgeführt.
Es existieren also unterschiedliche Strömungen – einerseits hat sich die Anzahl von kommunalen Beteiligungen vor allem in den Bereichen soziale Dienste, Kinder- und Schülerbetreuung, Wirtschaftsförderung, Tourismus, Ver- und Entsorgung in Österreich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt (6) und gehen immer mehr Städte und Gemeinden Kooperationen mit Privaten ein um dadurch eine Steigerung der Effizienz, flexibleres Personalmanagement, steuerliche Optimierung und eine Steigerung der Leistungsqualität zu erreichen – andererseits planen 10 Prozent der deutschen Kommunen, die in der Vergangenheit Privatisierungen durchgeführt haben, die an private Anbieter übertragenen Aufgaben wieder von der öffentlichen Hand ausführen zu lassen.
Der Grund dafür liegt laut Biwald darin, dass gerade im Bereich der Infrastruktur Vernachlässigungen festgestellt wurden und die Kosten für die Nutzerinnen und Nutzer im Laufe der Zeit höher als angenommen ausgefallen sind.
Das darf nicht verwundern, verfolgen doch privatwirtschaftlich geführte Unternehmen Formalziele wie Gewinn und Umsatz, also ein Shareholder- Value Konzept, fühlen sich weniger Sachzielen wie Gesundheit, Bildung, Sicherheit … oder der Gemeinwohlorientierung verpflichtet und sind diese Unternehmensgewinne natürlich von den Nutzerinnen und Nutzern auch zu bezahlen.
Das sollte kein Problem sein, solange die Steigerung der Effizienz und Effektivität der kommunalen Einrichtungen nach der Privatisierung die Unternehmensgewinne rechtfertigen und es nicht diesen Gewinnen zuliebe zu Einsparungen bei gewohnt hohen Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards kommt.
Erfahrungen zeigen aber, dass Privatunternehmen im Streben nach Gewinnmaximierung den Schwerpunkt auf die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs legen und Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigen.
In solchen Fällen von Marktversagen ist dann erneut die Öffentliche Hand gefordert, den angefallenen Investitionsstau zu kompensieren und die Infrastruktur wieder herstellen, was als „Sozialisierung der Verluste“ bezeichnet wird.
Problematisch ist auch, das belegen Erkenntnisse aus Kommunen, die Versorger privatisiert hatten, dass das vorhandene Know-how im jeweiligen kommunalen Betrieb, in der jeweiligen Gebietskörperschaft, im Zuge einer Liberalisierung regelmäßig verloren ging und im Zuge der Re- Kommunalisierung erneut aufgebaut, ja von „außen“ zugekauft werden musste.
Wie also kann man die sicher vorhandenen Vorteile eines privatwirtschaftlich geführten Betriebes mit den Notwendigkeiten gewohnter (oft liebgewonnener) Qualität (7), hoher Entsorgungssicherheit, flächendeckender Versorgung, modernem Umweltschutz, fairen Arbeitsbedingungen und dem sonst nicht vorhandenem Angebot an meritorischen Gütern (Citizen-Value Konzept) in Einklang bringen?
Lautet die Frage dabei wirklich immer entweder oder; mehr Privat und weniger Staat?
Die verfassungsrechtlich garantierte Gemeindeautonomie räumt den Kommunen die Wahlfreiheit hinsichtlich der Form der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen ein.
Kommunale Daseinsvorsorgeleistungen können
1. von der Gemeinde selbst,
2. durch in deren Eigentum stehenden Unternehmungen oder
3. durch Dritte (Private im freien Wettbewerb) erbracht werden.
Es sollen dabei in den gemeindeeigenen Unternehmungen erfolgreiche Methoden aus der Privatwirtschaft genutzt, diese Methoden auf die gesamte Verwaltung übertragen und gar ganze kommunale Bereiche ausgegliedert und in Folge privatisiert werden und schon vor mehr als 40 (!) Jahren konnten wir lesen:
„Immer nachdrücklicher wird von maßgeblichen Politikern, Verwaltungspraktikern und Wissenschaftlern gefordert, die Methoden, mit denen heute große und mittlere Unternehmen geführt werden, auf die Verwaltung zu übertragen und hier eine Entwicklung nachzuholen, die sich in der Wirtschaft bereits vollzogen hat bzw. gerade vollzieht. Damit soll zugleich der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Verwaltung und Wirtschaft voneinander abhängige Partner bei der Lösung der Zukunftsaufgaben sind.
Der Grund hierfür liegt in erster Linie in der Zunahme und Veränderung der Verwaltungsfunktionen, die in weiten Bereichen den Aufgaben der Wirtschaft ähnlich geworden sind. Dazu kommt die Erkenntnis, dass die überkommene Verwaltungsstruktur und -organisation zur Erfüllung der neuen Aufgaben und der Bewältigung der durch das stete Wachstum der Behörden entstehenden Probleme nicht das optimale Instrumentarium bietet, ja vielfach ein Hindernis darstellt, so dass man sich an den Erfahrungen der Wirtschaft, die die gleichen Probleme zu lösen hatte und mittlerweile auch zu lösen hat, orientieren will.“ (8)
Unstrittig ist, dass
• wir ein modernes Verständnis der öffentlichen Verwaltung brauchen,
• wir die bisherigen Aufgaben (9) und deren altbewährte Lösungen durch die öffentliche Verwaltung einer Kritik unterziehen müssen,
• wir für allfällige Krisen der öffentlichen Verwaltung eine brauchbare Lösung suchen müssen,
• Effizienz und Effektivität, rationales und modernes Verwaltungsmanagement und mehr Wettbewerb auch innerhalb der öffentlichen Verwaltung dringend gefragt sind,
• die Verwaltung Kundenorientierung genauso dringend nötig hat wie Qualitätsorientierung und eine neue Organisationsstruktur. (10)
Lassen sich diese fünf Punkte dabei durch Privatisierung und Ausgliederung erreic
hen oder muss nicht noch einen Schritt weiter gedacht werden?
Gerade die Privatisierung auf Gemeindeebene findet in unterschiedlichsten Formen und unter Zuhilfenahme von unterschiedlichen rechtlichen Konstruktionen statt, die dabei gemachten Erfahrungen können für künftige Betrachtungen recht hilfreich sein.
Es kam und kommt zur Privatisierung von kommunalen Einrichtungen, wie etwa dem Verkauf der Klagenfurter Wasserwerke, dem Verkauf von Anteilen von Stadtwerken, zur Auslagerungen von Gemeindeeigentum und kommunaler Infrastruktur, zum Verkauf von Immobilien bis hin zur Erledigung von vormaligen Gemeindeaufgaben durch Private und zu PPP- Modellen. (11)
Wir sehen auch nach den Privatisierungen und dadurch kurzfristig zugeführten finanziellen Mitteln oft verschuldete Kommunen ohne weitere Gestaltungsmöglichkeiten und politische Kraft, ohne Einfluss und nach wie vor unzufriedene Bürger.
Die zunehmend finanziell ermattenden Kommunen sehen, vor die Entscheidung gestellt, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge weiterzuführen oder aus finanziellen Gründen einstellen zu müssen oft lediglich die Alternative einer Privatisierung und verschließen die Augen vor den möglichen Folgen.
Kommunale Monopole der Ver- und Entsorgungsversorgung (wie z.B. die Versorgung mit Elektrizität und Trinkwasser oder die Abwasserentsorgung) lassen sich ja nicht nur mit dem Erfordernis des Schutzes grundlegend wichtiger Gemeinschaftsgüter begründen, diese Monopole bleiben Monopole, auch wenn sie nach einer Privatisierung durch Unternehmungen in Privatwirtschaftsverwaltung vorgenommen werden.
Wie steht es um einen künftigen Anschluss- und Benutzungszwang? Wie um die langfristige Sicherung des Anschlusses entlegener Regionen und einzelner Nutzer?
Welche Auswirkungen haben vormalige kommunale Unternehmungen auf die nun konkurrierende bestehende Wirtschaft?
Lassen sich Tarife, die bislang soziale Argumente berücksichtigten – z.B. sozial gestaffelte Ent- und Versorgungsbeiträge – auf das privatisierte Unternehmen überbinden?
Ist privatrechtliches Handeln der Kommune in der an sich kommunalen Daseinsvorsorge überhaupt möglich?
Zur Beantwortung dieser Frage mag die E-Werk Wels AG (12) als Beispiel gesehen werden.
Das Elektrizitätswerk Wels, kurz E-Werk, ist verantwortlich für die Versorgung der Stadt und ihrer Bürger mit Strom, aber auch mit Wasser und der Kanalisation.
Ein Drittel aller Welser Haushalte bezieht die Fernwärme vom E-Werk Wels. Weitere Geschäftsfelder sind die Versorgung mit Erdgas, die Umsetzung von Lichtanlagen und Beleuchtungen, wie beispielsweise die Weihnachtsbeleuchtung der Stadt oder die Realisierung von Solaranlagen, wobei die EWW gerne auch anderen Kommunen die Weihnachtsbeleuchtung und den Gasanschluss verkauft.
Die E-Werk Wels AG ist mit der Sparte it&tel im Telekommunikationsmarkt für Geschäftskunden vertreten und ist der größte Elektrikerbetrieb in Wels, durchaus auch im Einzelhandel erfolgreich unterwegs.
Der EWW war durch die Stadt Wels der städtische Kanal verkauft worden und der recht hohe Kaufpreis dafür von der Stadt für die Rückzahlung von Verbindlichkeiten genutzt und für eine eigene Wirtschaftsförderung (13) verwendet worden.
Der Verkauf des städtischen Kanalnetzes an ein eigenes Tochterunternehmen war in Österreich neu und wird oft als Organisationsprivatisierung oder formelle Privatisierung gesehen, weil ja keine echte Privatisierung stattfand, sondern die Übertragung der Aufgabe der städtischen Abwasserentsorgung einem „Erfüllungsgehilfen“ der Stadt, einer städtischen Tochter-unternehmung, übertragen wurde.
Es ist allerdings zusätzlich auch ein materieller Gehalt festzustellen, da es durch diese Organisations- und Funktionsprivatisierung zu einer Nutzung der AG als Rechtsform kam.
Der Vorstand der EWW ist somit nicht nur dem Eigentümer verpflichtet sondern auch dem Aktienrecht.
In Wels war es möglich einen Vorstand zu bestellen, der sehr sachkundig und mit großer Expertise ans Werk ging und als EWW für die Stadt viele an sich schwer finanzierbare Aufgaben wie den öffentlichen Personennahverkehr zu übernehmen und sich mit Finanzierungserträgen aus ökonomisch interessanten Sparten im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht zu halten.
Neben die Möglichkeit einer „echten“ Privatisierung von städtischen Aufgaben tritt daher nach meiner Meinung die Alternative einer privatwirtschaftlichen Organisations- und Funktions-privatisierung die es der Kommune erlaubt:
– Sachziele wie einen leistbaren ÖPNV und sozial verträgliche Tarife der Ent- und Versorgung zu verfolgen,
– dabei im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht zu bleiben,
– das ökonomische Prinzip zu beachten und
– den stetig steigenden Bedarf der Bevölkerung nach ausreichender Daseinsvorsorge zu erfüllen.
Eine solche Organisations- und Funktionsprivatisierung bietet sich auch in Fragen einer Re-Kommunalisierung an, wenn wir feststellen müssen, dass die Abfallentsorgung (wie wir aus Tirol wissen) doch nicht so einfach privatisiert werden kann und soll.
Wenn zudem die Erlöse aus einer solchen Privatisierung nicht nur zum Stopfen budgetärer Löcher verwendet, sondern verantwortungsvoll in einen „Zukunftsfonds“ investiert werden, ist diese sogar geboten.
Stieger, Martin, 2011: „(Re)Kommunalisierung – auch in der Stadt Wels ein Thema?“ in KLUG Friedrich (Hg): „Daseinsvorsorge durch Re-Kommunalisierung“, IKW Band 121, Linz 2011, S 95 – 101
http://www.linz.at/bildung/IKW_121.asp
1) Eine Statutarstadt ist zugleich Gemeinde und Bezirk
2) weitere Infos unter www.wels.at
3) eine Übersicht über die Beteiligungen der Stadt finden Sie am Ende dieses Beitrages
4) Z.B. format Nr. 17, 29. 04. 2011, S 5
5) http://www.gelsenwasser.de/ eines der größten Trinkwasserversorgungsunternehmen Deutschlands
6) so Peter Biwald, KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung – auf dem 58. Österreichischen Städtetag in Innsbruck (Umfrage unter Österreichs Städten zum Thema „Beteiligungs-management“)
7) in Wels werden z.B. die Mülltonnen von Mitarbeitern der städtischen Müllabfuhr auf die Straße getragen, was Älteren und Menschen mit Handicap sehr entgegen kommt
8) Höhn, Reinhard: Verwaltung heute. Autoritäre Führung oder modernes Management, Bad Harzburg 1970, S. 127
9) Darunter verstanden wird die gewohnt verlässliche Herstellung von gelegentlich überlebten Standardleistungen durch den öffentlichen Sektor
10) Stieger, Martin G., 2007: New Public Management meint auch New School of Governance in ZAPOTOCZKY Klaus, PRACHER Christian, STRUNZ Herbert (Hg): Verwaltung innovativ, Linz 2007, S 225f
11) Public Private Partnership wird allerdings auf Grund einiger negativer Erfahrungen auch als Private Profit und Public Problems gesehen
12) http://www.eww.at/
13) Wirtschaftsimpulsmilliarde (Milliarde in öS und im Sinne eines durch Förderung angestoßenen Investitionsvolumens)