vor ziemlich genau 10 Jahren habe ich eine kleine Analyse unternommen:
Ein kurzer Sachverhalt:
Laut EU-Wahlordnung kann ein auf einem hinteren Listenplatz gereihter Kandidat den Spitzenkandidaten „überholen“, wenn er sieben Prozent[1] der Gesamtstimmen der betreffenden Partei als Vorzugsstimmen[2] auf sich vereinen kann.
Ein langjähriges FPÖ-Mitglied, Andreas Mölzer[3], der als Vertreter des deutschnationalen Flügels in der FPÖ angetreten und von diesem auch tatkräftig unterstützt worden war[4], hatte dies mit fast 14 Prozent auch tatsächlich geschafft.
Für den dadurch um „sein“ Mandat gebrachten offiziellen Spitzenkandidaten der FPÖ, den bisherigen EU-Abgeordneten Hans Kronberger[5] verstößt diese Regelung allerdings gegen das Prinzip der Verhältniswahl: „Es könne nicht sein, dass sieben Prozent der Wähler einer Partei den restlichen 93 Prozent ihren Willen aufzwingen können“.
Der VfGH stellt in seinem Erkenntnis klar, dass die Anfechtung laut EU-Wahlordnung[6] spätestens eine Woche nach Verlautbarung des Wahlergebnisses eingebracht werden muss.
Das wäre der 7. Juli gewesen, Kronberger brachte die Beschwerde aber erst am 23. Juli ein. Die sonst geltende Vierwochenfrist, auf die sich Kronberger berufen hatte, sei in diesem Fall „ohne Relevanz“, urteilten die VfGH-Richter.
Die erste Reaktion von Konberger im Ö1-Mittagsjournal: „Ich nehme die Entscheidung zur Kenntnis, von Akzeptanz kann keine Rede sein.“ Seiner Meinung nach sei die Entscheidung „absolut unglücklich“ und treffe nicht das Problem an sich.
Kronberger kritisierte in einer Aussendung die VfGH-Entscheidung scharf: Die Wahlanfechtung durch einzelne Mandatare sei nicht in der Europa-Wahlordnung geregelt, sondern im Verfassungsgerichtshofgesetz.
Daher hätte der VfGH auch nicht die einwöchige Anfechtungsfrist der Wahlordnung, sondern die vierwöchige Frist des Verfassungsgerichtshof-gesetzes berücksichtigen müssen.
Aber selbst wenn der freiheitliche EU-Spitzenkandidat Hans Kronberger seine Wahlanfechtung fristgerecht eingebracht hätte, wäre die Zulässigkeit der Beschwerde nicht gesichert gewesen, so VfGH-Präsident Korinek: Zur Anfechtung berechtigt ist laut EU-Wahlordnung nur der zustellungsbevollmächtigte Vertreter des Wahlvorschlages. Für die FPÖ war das bei der EU-Wahl am 13. Juni aber nicht Kronberger, sondern Bundesgeschäftsführer Arno Eccher.
Nach den strengen Vorschriften für die Nationalratswahlen können Kandidaten über Vorzugsstimmen nur vorgereiht werden, wenn sie mindestens die für ein Grundmandat erforderlichen Stimmen erzielen.
Auf die EU-Wahlen umgelegt hätte Hölzer so mindestens 119.000 Stimmen erringen müssen.
Andreas Hölzer konnte das soziale Netzwerk der Kooperierten geschickt nutzen und mit Hilfe dieser Gruppe und seinen dadurch erzielten Vorzugsstimmen den auf die FPÖ fallenden Stimmenanteil von 6,31 % der für ein Mandat ausreichte, für sich verbuchen:
„§ 77 (2) Parteien, denen im ganzen Bundesgebiet weniger als 4 % der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben keinen Anspruch auf die Zuweisung von Mandaten[7]“.
Die Vorzugsstimmen[8] alleine hätten für den Gewinn des Mandats alleine nicht ausgereicht.
Der offizielle Parteikandidat Hans Kronberger erzielte 8.965[9] Vorzugsstimmen[10], an der dritten Stelle im Ranking der Vorzugsstimmen[11] der von der FPÖ nominierten Kandidaten landete Franz Grossmann, ein ehemaliger SPÖ-Landesparteisekretär und vormaliger SPÖ-Abgeordneter zum Kärntner Landtag, mit 1.040[12] Vorzugsstimmen.
In der absoluten Zahl abgegebener Vorzugsstimmen[13] wurde Mölzer vom Kandidaten der Liste „Die Grünen – Die Grüne Alternative“, dem EU-Abgeordneten Voggenhuber Johannes geschlagen[14], der mit 30.459[15] Vorzugsstimmen auch ein Vorzugstimmenmandat erreichen hätte können.
Eine kurze Analyse:
Der Vorzugsstimmenwahlkampf in der FPÖ hatte sicher einen Mobilisierungseffekt und gaben etwa doppelt so viele FPÖ-Wähler eine Vorzugstimme ab wie der österreichische Durchschnittswähler.
Dieser Mobilisierungseffekt erfasste aber nur jeden fünften FPÖ-Wähler.
Beweis für das Wirken eines sozialen Netzwerkes ist die eher durchgängige Vorzugsstimmenabgabe in allen Bundesländern, die bei Mölzer im Unterschied zu den Kandidaten in den anderen Parteien auffällt.
Quer über die sechs wahlwerbenden Listen gesehen, lässt sich eine Häufung der Vorzugsstimmen in den Bundesländern sehen, in denen der Kandidat seine politische Heimat hat.[16]
Die genauere Analyse der Verteilung der Vorzugsstimmen Mölzers ist ebenfalls interessant:
Gesamt 21.980 100 % 13,94 % vom Parteiergebnis[17]
davon
%
Kärnten 6.317 28,74 21,50[18]
Wien 5.022 22,85 22,42[19]
Niederösterreich 3.346 15,22 13,13
Oberösterreich 2.719 12,37 9,75
Steiermark 2.052 9,34 9,17
Salzburg 1.074 4,89 11,07
Tirol 728 3,31 8,59
Burgenland 402 1,83 8,40
Vorarlberg 320 1,46 4,43[20]
und belegt den Erfolg seines besonders in Wien und Kärnten starken Netzwerkes.
26. 6. 1991 bis 05. 12. 1993 Mitglied des Bundesrates, seit 20. 07. 2004 Abgeordneter zum Europäischen Parlament, seit 30. 03. 2005 parteilos da am 29. 03. 2005 aus der FPÖ ausgeschlossen, Ausschussfunktionen im Europäischen Parlament: Ausschuss für konstitutionelle Fragen, Mitglied; Ausschuss für Kultur und Bildung, Stellvertreter.
http://www.parlament.gv.at/portal/page?_pageid=907,178163&_dad=portal&_schema=PORTAL
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