Das Thema Bildung wird vor allem unter dem Gesichtspunkt eines Menschenrechts gesehen:
„Jedermann hat das Recht auf Bildung und der Hochschulunterricht muss nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten allen in gleicher Weise offen stehen“
Bildung wird hier als Grundpfeiler der Menschenrechte, der Demokratie, der nachhaltigen Entwicklung und des Friedens verstanden, Bildung sollte allen Menschen während ihres ganzen Lebens zugänglich sein.
Bildung soll bei der Lösung der Probleme, die sich im 21. Jahrhundert stellen, helfen, soll die Wertvorstellungen und Ideale einer Kultur des Friedens fördern und die intellektuelle Gemeinschaft hierfür sensibilisieren.
Bildungsträger sollen gegenüber der Gesellschaft große Verantwortung übernehmen und Rechenschaft über die Nutzung öffentlicher und privater, nationaler oder internationaler Ressourcen ablegen.
Bildung soll soziale Bedürfnisse erfüllen sowie Solidarität und Gleichheit fördern, dabei unparteilich und den Kriterien wissenschaftlicher Genauigkeit und Authentizität genügen und lebenslanges Lernen ermöglichen.
Bildung wird aber zunehmend auch als vierter Produktionsfaktor angesehen, auf die Wirtschaft bezogen darunter die Möglichkeit verstanden, die Aufgaben der Güterproduktion besser zu erfüllen und dabei – als durch den Einsatz von Geld erworben – als Humankapital bezeichnet.
Bildung wird also zunehmend auch unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet.
Die drei klassischen Fragen, die sich in einer Volkswirtschaft immer stellen: Was soll produziert werden, wie soll produziert werden und fü̈r wen soll produziert werden kommen an der dafür nötigen Bildung nicht vorbei.
Der Bildungsstand der Bevölkerung wird dabei also immer wichtiger.
So kommt Sand in nahezu jeder Volkswirtschaft vor. Mit diesem im Boden vorhandenen Sand kann eine Volks-wirtschaft nunmehr eine Sandburg errichtet, für das Betrachten derselben Eintritt verlangen oder man kann das im Sand vorhandene Silicium für die Produktion von Computerchips verwenden.
Auch die Frage der Wertschöpfung wird unmittelbar mit Bildung verknüpft.
Wenn der Staat G. 4 % seines Bruttoinlandsproduktes in den Ankauf von Waffen steckt und beim Staat D. (mittlerweile der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt) Panzer und Flugzeuge kauft, macht das volkswirtschaftlich weniger Sinn, als wenn der Staat G. vom Staat D. Know how einkauft.
Warum?
Zum einen, weil unter dem Gesichtspunkt des nachhaltigen Wirtschaftens (Sustainability) der Ressourcenverschleiß (Einsatz der betrieblichen Produktionsfaktoren) bei der Produktion von Panzern viel höher ist als beim Erstellen eines Computerprogramms und die Austauschbeziehung beim Verkauf eines Software-Programms einseitig optimiert werden kann.
Der Käufer eines Panzers leistet Geld und fehlt dieses dann der nationalen Volkswirtschaft, der Verkäufer wiederum hat einen Panzer weniger, der unter Umständen mit hohem Ressourceneinsatz hatte produziert werden müssen.
Beim Verkauf des Software-Programms kann der Verkäufer dieses immer und immer wieder verkaufen – mit eine Erklärung des Umstands der Bill Gates in knapp mehr als zwanzig Jahren zum reichsten Mann der Welt gemacht hat.
Eine weitere Überlegung stützt die Bedeutung des Rohstoffs Bildung.
H. W. Sinn hat in seiner Basar-Hypothese eindeutig ausgeführt, dass der inländische Wertschöpfungsanteil an der Industrieproduktion (Fertigungstiefe) in den Industrieländern zugunsten des Auslands stark rückläufig ist d. h. immer größere Teile der Wertschöpfungskette ins Ausland verlagert werden und im Gegenzug der Anteil der aus dem Ausland bezogenen Vorleistungen stark zunimmt.
Deutschland spezialisiert sich nach H. W. Sinn zunehmend auf „Basar-Tätigkeiten“.
Immer mehr deutsche Industrieunternehmen verlagern arbeitsintensive Teile ihrer Wertschöpfungsketten in ausländische Niederlassungen (Offshoring) oder kaufen bei Zuliefern im Ausland ein (ausländisches Outsourcing) um dadurch den hohen deutschen Lohnskosten zu entkommen.
Industriegüter werden zu wachsenden Wertanteilen in Niedriglohnländern vorfabriziert.
Deutschland – der vermeintliche Exportweltmeister – baut seine Position als Basar der Welt stetig aus und kann damit – trotz der weltweiten Finanzkrise – auf hohe und künftig sicher auch wieder wachsende Exporte verweisen.
Das ist aber nur die eine Seite der Münze.
Im Porsche Cayenne beispielsweise, der (nur) scheinbar in Leipzig produziert wird, werden 88 % der Wertschöpfung im Werk in Bratislava vorgefertigt, in Leipzig kaum mehr als Lenkung und Getriebe eingebaut.
Wird dieser PKW in die USA exportiert, stehen hundert Prozent des Wertes in der deutschen Exportstatistik, obgleich nur 12 % der Wertschöpfung tatsächlich in Leipzig anfallen.
Beim Export von Bildungsgütern – beim Bildungsexport also – ist das anders!
Ein zum Beispiel von Österreich nach Georgien verkauftes Fernstudien-MBA-Programm erzielt hundert Prozent des Wertes in Österreich – vorausgesetzt, dass keine Lizenzgebühren ins Ausland bezahlt werden müssen.
In den angelsächsischen Ländern ist die wirtschaftliche Bedeutung des Exports von Bildungsdienstleistungen unbestritten und spiegelt sich auch in den jeweiligen Exportstatistiken wider.
In diesen Ländern werden die Studiengebühren der ausländischen Studierenden auch separat in der Exportstatistik ausgewiesen.
Auch Österreich kann in puncto Bildungsexport bereits beachtliche Erfolge auf dem internationalen Markt verzeichnen. Österreich liegt weltweit an 11. Stelle, was die Zahl der ausländischen Studierenden im Land betrifft.
Die drei führenden Länder, was die Zahl ausländischer Studierender betrifft, sind die USA, gefolgt von Groß Britannien und Deutschland.
In ihrer ökonomischen Bedeutung sind diese Studierenden für Österreich leider noch nicht untersucht, ganz anders als in den – den weltweiten Bildungsmarkt stark dominierenden – angelsächsischen Ländern.
Die USA, Großbritannien und Australien weisen jährlich Bildungs-Export-Umsätze in Milliardenhöhe aus. In der Außenhandelsbilanz Australiens nahm der Bildungsexport schon im Jahr 2007 den dritten Platz ein und übertraf der Bildungsexport im Jahr 2009 bereits die Einnahmen aus dem Tourismus!
Dass „education and training services“ ein wichtiger Exportfaktor sind, zeigt sich unter anderem auch daran, dass im Rahmen der Außenwirtschaftsaktivitäten von UK Trade & Investment, Buy USA oder Austrade Bildung neben Maschinenbau, Energie, Chemie etc. als eigenständiger Wirtschaftssektor besteht.
Weltweit wächst der Markt für Bildungsangebote. Zwischen 1999 und 2009 hat sich die Zahl der ausländischen Studenten weltweit nahezu verdoppelt!
Gründe dafür sind unter anderem die dynamische Wirtschaftsentwicklung zahlreicher Schwellenländer und der damit verbundene steigende Bedarf an Qualifizierung, steigende Bildungsbedarfe nichttraditioneller Lerngruppen wie Ältere und Vollzeitbeschäftigte sowie wachsende Investitionen in Humanressourcen vor allem im Dienstleistungsmarkt.
Diesen Tendenzen steht in vielen Ländern eine mangelnde Leistungskraft nationaler Bildungssysteme gegenüber und so verwundert es nicht, dass jeder fünfte weltweit im Ausland Studierende aus China oder Indien kommt.
Die Differenzen, die sich aus Nachfrage und Angebot ergeben, und die daraus resultierenden Chancen für den Export von Bildungsdienst-leistungen haben angel-sächsische Länder schon sehr früh erkannt und nutzen sie auch weidlich.
Die Lebenshaltungskosten ausländischer Studierender werden in den Dienstleistungsstatistiken der OECD als „bildungsbedingte Reisekosten“ erfasst und in der Regel als Bildungsexporte interpretiert.
Immerhin machen Bildungsexporte in den USA rund 5 % der amerikanischen Dienstleistungsexporte aus .
Mit diesen Zeilen möchte der Autor aber keine Zahlenspiele betreiben sondern Eulen nach Athen tragen und ganz allgemein behaupten, dass Bildungsexport eine zumindest in Österreich völlig unterschätzte volkswirtschaftliche Bedeutung hat und daher vorschlagen:
1) Dass der Bildungsexport zum nationalen Anliegen wird und es dafür eine nationale politische Strategie gibt.
2) Diese Strategie alle Bildungsbereiche von der Volksschule über die Erwachsenenbildung bis zu den Hochschulen umfasst und dabei alle relevanten Behörden, Organisationen und Einrichtungen einbindet.
3) Zielmärkte für diese Strategie ausgemacht und die Strategie auch tatsächlich umgesetzt wird – für Österreichs Bildungsexporteure liegen die großen Märkte Europas direkt vor der Haustüre.
4) Die rechtlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden: dazu zählen die Regelungen der Ein- und Ausreise, der Visa-Erteilung und Aufenthaltserleichterungen genauso dazu wie die Anerkennung im Ausland erbrachter Studienleistungen, die Regelung der Übergänge von akademischer und nichtakademischer Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Harmonisierung der Berufsrechte ….
5) Dass die Marketingaktivitäten der staatlichen und privaten Bildungsanbieter gebündelt und gefördert werden, gerade kleine private Bildungsanbieter haben wenig Möglichkeiten ausländische Vertretungen zu errichten
6) Dass die Erfahrungen und Vertriebskanäle österreichischer Exporteure genutzt und Vorteile und Synergien im gemeinsamen Export von Industriegütern und Dienstleistungen erkannt und mittels Vernetzungsangeboten und konsequenter Nutzung der modernen Infrastruktur- und IKT-Möglichkeiten umgesetzt werden
7) Investitionen der Bildungsexporteure steuerlich honoriert und der Bildungsexport finanziell gefördert wird.
mit allen Fußnoten nachzulesen:
Stieger, Martin G., 2010: Bildung – ein Exportgut? in ZAPOTOCZKY Klaus, PRACHER Christian, STRUNZ Herbert (Hg): Wissen als Rohstoff, Linz 2010, S 253 – 257