Schaut man sich ein hundert Jahre altes Foto eines Welser Kaufmannsladens an, sieht man ein Schaufenster, sonst keine Werbung außer dem Namen des Inhabers.
Das Einkaufen in einem solchen Laden war völlig normal.
Kleine Greißlereien, Milchgeschäfte, Bäckereinen, Fleischereien und natürlich Gastwirtschaften, daneben Schneider und Schuster, andere Handwerker und Trafiken boten – weil es ja keine Autos gab – die Grundversorgung an jeder Ecke.
Mit dem üblichen Straßenverkauf, einer wichtigen Nahversorgungsaufgabe der „Milchfrauen“, die Haus um Haus mit Milch, frischen Eiern, Brot, Obst und Gemüse versorgten, gab es auch keine unversorgten Ortsteile.
Die Ware wurde noch aus Schubladen in Papiertüten gefüllt oder Zeitungspapier eingewickelt.
Heute wird diese allgemeine Versorgung mit den wichtigsten Lebensmitteln von Supermärkten oder Discountern übernommen, und die kleinen Eckläden mit ihrer „Tante Emma“ sind verschwunden.
Auch Schuhe und Textilien, TV- und Haushaltsgeräte werden in Einkaufszentren oder besser noch online bei Amazon gekauft.
Das führt in Gesprächen zu nostalgischen Seufzern – früher sei das doch viel besser gewesen.
Unsere Abfallcontainer quellen über vor Verpackungsmaterialien, die bekannten Familienunternehmen sterben aus oder gibt es gar nicht mehr. Die Uniformität hat auch in Wels Einzug gehalten.
Wir kaufen entweder in einer Filiale einer deutschen Kette oder im Internet ein.
Aber ist wirklich alles schlechter geworden?
Sind wirklich alle typischen Welser Familienunternehmen verschwunden?
Die Zahl leer stehender Geschäfte in der Welser Innenstadt ist stark zurück gegangen und trotzt dem Online-Handel mit pfiffigen Ideen und großem persönlichen Engagement.
Und ganz generell, der durchschnittliche Welser Haushalt kann sich deutlich mehr leisten als früher, kann aus einer Fülle von Angeboten wählen, die noch vor 70 Jahren unvorstellbar gewesen wäre.
Durch Konkurrenzdruck arbeiten die Handelskonzerne heute mit sehr viel geringeren Margen als früher. Die Preise sind im Vergleich zum Arbeitseinkommen viel günstiger, die Waren sind sogar frischer und vor allem viel hygienischer verpackt und damit allgemein gesünder als in unserer nostalgischen Verklärung.
Denken Sie nur daran, dass den größten Anteil an der Verlängerung der Lebenszeit der Menschen die Verbesserung unseres Trinkwassers hatte, also die Hygiene im weitesten Sinne.
Nostalgie macht zwar viel Spaß, führt uns aber rational manchmal auch ein wenig in die Irre.
Einkaufen in Wels bereitet immer noch großes Vergnügen und ich persönlich kaufe nicht bei Amazon, schon der Umwelt und der Mitarbeiterbehandlung wegen.
Erschienen in „Die Monatliche“, Ausgabe 51