Ich durfte in einer Expertengruppe („Unternehmen Österreich 2025“) mitarbeiten, die aus meiner Sicht sehr wichtige Vorschläge erarbeitet hat – leider offensichtlich ohne nachhaltige Resonanz.
Damit diese nicht in Vergessenheit gerät zumindest in meinem blog die Erinnerung daran:
Expertengruppe 5: Bildung und Lernen
Stellhebel 5: Universitäten, Fachhochschulen, Privatuniversitäten
Reinhard Heinisch, Belinda Hoedl, Gerhard Krassnig, Andreas Philippitsch, Martin Stieger, Nikolaus Krasa, Stefan Speiser,
Österreichs Hochschulen bedürfen
– der vollkommene Autonomie und Ressourcenhoheit inkl. der Festlegung von Studiengebühren und stärker leistungsbezogene Gehalts- und Entlohnungsmodelle
– Ausdifferenzierung und Ausweitung des universitären Angebotes (z.B. lifelong learning, Migrantenprojekte, …….).
– eines stärkeren Wettbewerbs innerhalb der Hochschulen und zwischen den Hochschulen
– Internationalisierung und Bildungsexport
– Einer Ergänzung durch (Weiter)Entwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung im tertiären Bildungssektor
Die Ausgangssituation:
– 22 öffentlichen Universitäten mit rund 284.000 Studierenden,
– 21 Fachhochschulen (seit 1994, rund 37.500 Studierende) und
– 13 Privatuniversitäten (seit 1999, rund 6.000 Studierende)
– 14 Pädagogischen Hochschulen gehören zum BMUKK (rund 12.000 Studierende)
– knapp 23.000 Studierende in Weiterbildungslehrgängen, Universitäts-lehrgängen (15.000 belegte Studien inkl. DUK), LuC (6.000 belegte Studien), Lehrgängen zur Weiterbildung (rund 900 Studierende) oder Hochschullehrgängen.
– Die Hochschulen sind unterfinanziert,
– die akademische Weiterbildung und Privatuniversitäten sind teilnehmerfinanziert, haben jedoch keine wirkliche Bedeutung (unter 10 % der Hörer, an der Universität Harvard die Zahl der Weiterbildungs-teilnehmer höher ist, als die der Regelstudenten.
– Aufgaben der Hochschulen: Forschung, forschungsgeleiteter Lehre und Weiterbildung.
– Hochschul-Rankings: österr. Unis keine Spitzenplätze
Das Problem (Complication) und Auswirkung (wenn nichts geändert wird)
– Keine Hochschulen im weltweiten Spitzenfeld (Ausnahmen die „Spezial“ Unis wie Leoben oder BOKU)[1]
– Fehlende Internationalität
– Finanzierungsprobleme: die Universitäten verwalten den Mangel und kommt es dadurch z.B. zu knock out Prüfungen, hohen dop out Qutoten, unterbezahlten Hochschullehrer, Hausberufungen
– Steuerungsprobleme: Dem Rektor (der Rektorin) fehlen finanzielle Möglichkeiten der Steuerung über z.B. einen Bonuspool leistungsorientierte Vergütungen auszuschütten
Unsere Ziele mit Blick auf Vision und Impulse der Executive Group
– Die Einführung von Studiengebühren, aber daneben (Leistungs-) Stipendien und Studentenkredite
– Finanzierung durch Drittmittel: Einwerben von Mitteln aus Wirtschaft und Industrie (Assistentenstellen, Stiftungsprofessuren)
– Stärkere Vernetzung von Wirtschaft, Universitäten und Öffentlichkeit.
– Der Rektor, die Rektorin ist auch dafür verantwortlich, dass die Hochschule Image und Reputation gewinnt und sind dafür auch vermehrt finanzielle Mittel vorzusehen.
– Bildungseinrichtungen haben die Verantwortung spezielle Förder-programme für Studierende mit handicap, migrantischem Hintergrund … zu bieten inkl. Erleichterung von Anrechnungen erbrachter Studienleistungen aus den Nicht-EU-Ländern, Sprachförderung und fremdsprachigem Studienangebot
Österreich zum Bildungsexportland machen!
Die USA, Großbritannien und Australien weisen jährlich Bildungs-Export-Umsätze in Milliardenhöhe aus. In Australien nahm der Bildungsexport schon im Jahr 2007 den dritten Platz ein und übertraf im Jahr 2009 bereits die Einnahmen aus dem Tourismus! „Education and training services“ ein wichtiger Exportfaktor! Weltweit wächst dieser Markt. Zwischen 1999 und 2009 hat sich die Zahl der ausländischen Studenten weltweit verdoppelt!
Ziel und Auswirkung (wenn empfohlene Änderung realisiert) (je Stellschraube):
1) Bildungsexport ein nationales Anliegen mit nationaler politischer Strategie und Vorab-Investitionen in Personal und Infrastruktur.
2) Strategie umfasst alle Bildungsbereiche von der Volksschule über die Erwachsenenbildung bis zu den Hochschulen und bindet Behörden, Organisationen und Einrichtungen ein.
3) Zielmärkte festlegen: für Österreichs Bildungsexporteure liegen die Märkte Europas direkt vor der Haustüre und können von den Bildungseinrichtungen (vgl. USA: International and Alumni Offices) oder einer im Ministerium angesiedelten Einheit betreut werden.
4) Rechtliche Rahmenbedingungen verbessern: Regelungen der Ein- und Ausreise, Visa-Erteilung und Aufenthaltserleichterungen, Anerkennung im Ausland erbrachter Studienleistungen, Regelung der Übergänge von akademischer und nichtakademischer Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Harmonisierung der Berufsrechte[2] …. Möglichkeit eines one-stop shopping für die entsprechenden Genehmigungen (vgl. US International Office) sowie die Möglichkeit eines Practical Trainings in Österr. nach Studienende, vgl. in den USA das J1 Visum oder H1B
5) Marketingaktivitäten der staatlichen und privaten Bildungsanbieter bündeln und fördern, gerade kleine private Bildungsanbieter haben wenig Möglichkeiten ausländische Vertretungen zu errichten[3] z.B. könnten österr. Politiker programmatische Reden an Universitäten halten oder Staatsbesucher zu Bildungseinrichtungen mitnehmen,in den USA werden wichtige Reden u.a. in Bildungseinrichtungen gegeben, die Politik veranstaltet dort Konferenzen und Zusammenkünfte und lädt internationale Besucher dorthin ein.
6) Erfahrungen und Vertriebskanäle österreichischer Exporteure nutzen und mittels Infrastruktur- und IKT-Möglichkeiten umsetzen
7) Investitionen der Bildungsexporteure steuerlich honoriert und der Bildungsexport finanziell gefördert wird.
Bedeutung (Skalierung 1-10: 7)
Maßnahmen für die (Weiter)Entwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung im tertiären Bildungssektor
Beschreibung:
Ausgangssituation
Die duale Berufsbildung (Lehrlingsausbildung) trägt in einem sehr großen Ausmaß dazu bei, dass Österreich über eine große Anzahl an hervor-ragenden und praxisnah qualifizierten Fachkräften verfügt. Stabile Wirtschaftsdaten auf hohem Niveau und die europaweit zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit kennzeichnen diesen Weg. Länder mit traditioneller Berufsbildung wie Österreich, Deutschland und Schweiz werden auf europäischer und internationaler Ebene als best practise angesehen.
Der Lehrabschluss ist nach wie vor die häufigste Basis für Unternehmertum und leitende Positionen. 40 Prozent jedes Jahrgangs der Pflichtschulabsolvent/innen ergreifen einen Lehrberuf, 39 Prozent aller Leitungspositionen in der Wirtschaft sind mit Lehrabsolvent/innen besetzt.
Problem (Complication) und Auswirkung (wenn nichts geändert wird)
Die Zahl der Lehrlinge sinkt in den nächsten 14 Jahren von 40.000 auf 24.000 ab.
Die Folge: Eklatanter Facharbeitermangel und Abwanderung von Betrieben. Der Wirtschaftsstandort Österreich und unsere duale Berufsbildung – als ein wichtiger Standortfaktor – sind dadurch ernsthaft in Gefahr.
In der österreichischen Hochschullandschaft steht die wissenschaftliche Bildung im Vordergrund, während die Berufsaus- und -weiterbildung auf tertiärem Niveau nach traditionellen Denkmustern – im Gegensatz zu europäischen und internationalen Trends – als nicht dem Hochschulwesen zugehörig empfunden wird.
Ziele mit Blick auf Vision und Impulse der Executive Group
Diesem Drohszenario soll mit einer deutlichen Aufwertung der Berufsbildung auf allen Bildungsstufen gegensteuern: Vor allem auch Stärkung und Weiterentwicklung der Berufsbildung im tertiären Bildungssektor.
Einschlägige und bereits bestehende Abschlüsse auf hohem Niveau (beispielsweise Meister, Werkmeister und Fachakademien) sollen in ihrer Sichtbarkeit und damit Attraktivität gestärkt werden.
Zusätzlich soll auf Basis bestehender Abschlüsse (beispielsweise Meister, Werkmeister und Fachakademien) Höherqualifizierungen angeboten werden, die mit einem akademischen Grad (Bologna-Degree, NQR Level 6) abschließen.
Dadurch soll auch der Übertritt von beruflich Qualifizierten (beispielsweise Lehrabsolvent/innen und Absolvent/innen von BMHS) in den tertiären Bildungsbereich ermöglicht werden.
Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten sollen nicht zusätzlich belastet werden. Diese neue Schiene soll als „Dritte Säule“ eine gleichwertige, aber andersartige Alternative darstellen. Der NQR soll relative Wertigkeiten von Abschlüssen transparent machen und unterstreicht die prinzipielle Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung.
Vorschlag – Detailbeschreibung
Implementierung einer neuen Säule im tertiären Bildungssektor, die einer wissenschaftlich fundierten Berufsaus- und –weiterbildung dient.
Die Ziele:
- Gewährleistung praxisbezogener Ausbildung auf Hochschulniveau.
- Vermittlung der Fähigkeit, die Aufgaben des jeweiligen Berufsfeldes dem Stand der Wissenschaft und den Anforderungen der Praxis entsprechend zu lösen.
- Gewährleistung der Durchlässigkeit des Bildungssystems und der beruflichen Flexibilität der Absolvent/innen.
- Qualitätssicherung durch Akkreditierung bei AQA.Austria
- Zugangsvoraussetzung ist berufliche Qualifikation,
- Berufsbegleitendes Studienangebot
- 180 ECTS, aber: Formale und non-formale Bildungs-nachweise auf höherem Niveau – beispielsweise die Meister-, Unternehmer- und Befähigungsprüfung – können angerechnet werden und die Studiendauer verkürzen.
- Finanzierungsverbot des Bundes
Ziel und Auswirkung (wenn empfohlene Änderung realisiert)
– Konsolidierung bestehender beruflicher Abschlüsse auf hohem Niveau unter einem Dach
– Sichtbarmachung und Attraktivierung beruflicher Bildung(sabschlüsse)
– Erhöhung der vertikalen, horizontalen und sozialen Durchlässigkeit
– Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung
– Deutlich differenziertes Hochschulsystem im Einklang mit europäischen und internationalen Systemen
– Entlastung der Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten
Zusammenhang mit anderen Stellhebeln (Abhängigkeiten/ Wechselwirkungen)
Stellhebel 1 „Zugang zu Bildung“: Durch die praxisorientierte Säule im Hochschulraum wird der tatsächliche Zugang beruflich Qualifizierter in den tertiären Bildungssektor ermöglicht.
Bedeutung (Skalierung 1-10) (je Stellschraube) Stufe 10
Maßnahmen / Change-request
Neben Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten ist eine neue Säule zu implementieren, welche wissenschaftlich fundierte, praxisbezogene Bildung im tertiären Bildungssektor ermöglicht.
Welche (konkreten) Schritte/ Maßnahmen sind wann (zeitliche Einordnung) zu setzen?
Herbeiführung eines politischen Konsens zur Notwendigkeit der beruflichen Aus- und Weiterbildung im tertiären Bildungssektor: Gesprächsrunde/Arbeitsgruppe mit politischen und fachlichen Stakeholdern, Einleitung notwendiger legistischer Änderungen und Einleitung des parlamentarischen Prozesses, Beschlussfassung im Nationalrat und Beginn der Umsetzung
Zeitliche Einordnung: Beginn der Umsetzung ab Herbst 2013
Studien/ Unterlagen:
– Wirtschaftskammer Österreich, Abt. Bildungspolitik (2012): Arbeitskonzept Berufsakademie, Wien
– Sozialpartner (2007): Chance Bildung. Konzepte der österreichischen Sozialpartner zum lebensbegleitenden Lernen als Beitrag zur Lissabon Strategie. Bad Ischl
– Wirtschaftskammer Österreich, Abt. Bildungspolitik (2010): Starke Bildung. Starker Standort., Wien
– ibw, Schneeberger/Schmid/Petanovitsch (2012), Skills beyond school in Austria, Country background report: OECD review of post-secondary vocational education and training, Wien
– Entwicklung eines Nationalen Qualifikationsrahmens für Österreich – Vertiefende Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT, Die Höhere Berufsbildung, Fakten und Zahlen, Schweiz
– “Organisatorische Rahmenbedingungen für die Entstehung und Nachhaltigkeit wissenschaftlicher Qualität an Österreichs Universitäten” Jürgen Janger, Hans Pechar, Juli 2010
– “Definition von Exzellenz für das Hochschulwesen” Werner Hölzl, 2006
– Qualitätsentwicklung der Weiterbildung an Hochschulen, 2012