Der Berufsverband der Soziologinnen und Soziologen Österreichs (BSÖ) erstellte 2008 das Berufsleitbild für die Soziologinnen und Soziologen Österreichs und einen Ethikkodex, welche eine Orientierungshilfe für Soziolog/innen aus der Praxis bieten:
Überall, wo Menschen aufeinander treffen, entsteht eine unverwechselbare Form des Zusammenwirkens. Aufgabe der angewandten Soziologie ist es, dieses Zusammenwirken zu entschlüsseln und dessen Fortgang vorauszudenken.
Soziolog/innen in der Praxis zeigen, dass sie durch ihre speziellen Kompetenzen zum Verständnis und zur Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit beitragen. Dieses Berufsleitbild bietet einen kompakten Überblick über die praxisrelevanten Aspekte der Soziologie als Beruf.
Soziologische Praktiker/innen beziehen in ihre Arbeit den sozioökonomischen Kontext mit ein und handeln selbstreflektiv, empathisch und konstruktiv kritisch. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen die Gesellschaft und der soziale Wandel mit all ihren Prozessen. Sie vereinfachen komplexe gesellschaftliche Phänomene und Situationen auf klare Aussagen für effiziente Lösungen.
Soziologische Praktiker/innen tragen durch fundierte soziologische Beratung zur Entscheidungsfindung ihrer Auftraggeber/innen bei. Sie wirken und agieren in ihrer Arbeit direkt durch Intervention und/oder indirekt durch Beratung oder Erhebung entscheidungsrelevanter Daten und Informationen.
Als Praktiker/innen arbeiten sie nach wissenschaftlichen Kriterien. Sie sind dabei in der beruflichen Praxis den neuesten Erkenntnissen aus Forschung und Lehre verpflichtet. Die eingesetzten soziologischen Methoden sind der Fragestellung angemessen und die Ergebnisdarstellung ist transparent und nachvollziehbar.
Ihre Kenntnisse im Bereich der empirischen Sozialforschung und gesellschaftsbezogener Theorien ermöglichen praxisrelevante Analysen und Prognosen.
Die von speziellen Methoden getragenen Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung über die ausschließlich von Menschen erzeugte soziale Ordnung grenzt die Soziologie von benachbarten und komplementären Disziplinen ab. Soziolog/innen verfügen über eine eindeutige Professionalität in ihren Arbeitsfeldern.
Kernkompetenzen und Professionalisierungsmonopol liegen im Erkennen der sozialen Ordnungen in Gruppen und sonstigen gesellschaftlichen Strukturen. Die soziale Ordnung stützt sich auf die durch das Zusammenwirken entstehenden sozialen Phänomene, die zu beobachten, zu erklären und deren Entwicklung vorherzusagen sind.
Dabei befassen sich Soziolog/innen beispielsweise mit:
- sozialen Systemen
- Normen
- Rollen
- Werten
- Sozialisation
- Kultur
- Kommunikation
- …
Sie verwenden dabei qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung unter konsequenter Anwendung von Theorien.
Soziolog/innen sind unter anderem in folgenden Arbeitsfeldern tätig:
- Forschung (Sozial-, Markt- und Meinungsforschung, Grundlagenforschung …)
- Bildung (Lehre, Erwachsenenbildung …)
- Management
- Beratung in Politik, Wirtschaft und Kultur
- Organisationsarbeit und Personalentwicklung
- Sozial- und Gesundheitsbereich
- Verwaltung
- …
Aufgrund ihrer Ausbildung sind sie mit analytischem Denken und Handeln vertraut und verstehen es, theoretische und methodische Grundkonzepte in der sozialen Praxis umzusetzen. Ihr Wissen um die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Methoden empirischer Sozialforschung ermöglicht eine interdisziplinäre, flexible und lösungsorientierte Herangehensweise an konkrete Fragestellungen. Dabei sind sie durch die Beschäftigung mit speziellen Soziologien für bestimmte gesellschaftliche Teilbereiche und Prozesse besonders sensibilisiert.
Ständige Weiterbildung und der Erwerb von Zusatzkompetenzen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen ermöglichen eine adäquate und versierte Auseinandersetzung mit der sozialen Welt.
Soziologische Praktikerinnen haben ein Studium mit Hauptfach „Soziologie“ an einer staatlich anerkannten Hochschule erfolgreich abgeschlossen und dadurch die Befähigung zum praktisch-wissenschaftlichen Arbeiten erlangt.
Eine wissenschaftliche Disziplin wie die Soziologie, die nicht nur ein akademischer Beruf, sondern eine bedeutende Profession sein will, muss ihre Vorzüge und ihren Nutzen für die Gesellschaft wirksam in der Öffentlichkeit darstellen, um eine gewisse Unentbehrlichkeit und damit eine anerkannte „Berufsrolle“ zu erzeugen.
Der Professionalisierungsprozess muss das Typische, Unverwechselbare, das Einmalige dieses Berufes hervorheben. Dieser Prozess ist im Bereich der Soziologie noch nicht abgeschlossen.
Daher setzt sich der Berufsverband als Ziel, den Stellenwert der Soziologie sowohl im Bereich der Wissenschaft zu erhöhen als auch die Profession der Soziolog/innen und deren Berufsfelder in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.
Praxisorientierte Aus- und Weiterbildung durch fachspezifischen Austausch mit Kolleg/innen sowie mit Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen ist ebenfalls eine wesentliche Aufgabe des Berufsverbandes zur Qualitätssicherung der Profession seiner Mitglieder.
Soziologie muss zeigen, dass sie mit theoretischer bzw. methodisch fundierter und empirisch abgesicherter Arbeit wesentlich zum Verständnis und zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit beitragen kann.
Soziolog/innen, welche das BSÖ-Ethik-Commitment-Siegel verwenden, sind dem Ethikkodex des Berufsverbandes (BSÖ) in seiner zuletzt gültigen Fassung verpflichtet.
Ethikkodex
Soziolog/innen prägen den beruflichen Alltag und die Gesellschaft insgesamt – und zwar stärker als dies in Fachkreisen oder in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Sie stehen vor allem im Dienst der Allgemeinheit und orientieren sich am öffentlichen Wohl. Soziolog/innen orientieren sich an den Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft und an den in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formulierten Werten.
Einerseits treten sie für notwendige Veränderungen ein und andererseits wirken sie als Stabilisatoren der Gesellschaft, z.B. als Berater in der Politik. In ihrer Arbeit beziehen sie den sozioökonomischen Kontext ein, orientieren sich an den Bedürfnissen ihrer jeweiligen Zielgruppen und handeln selbstreflexiv, empathisch, verantwortungsbewusst und unparteiisch.
Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Gesellschaft mit ihren jeweiligen Erscheinungsformen und Prozessen des sozialen Wandels. Dabei reduzieren sie komplexe Phänomene auf wesentliche Strukturen, um Lösungsansätze erarbeiten zu können.
Soziolog/innen erarbeiten und kommunizieren soziologisches Wissen in Prozessen und orientieren sich dabei an ethischen Erwägungen und Entscheidungen.
Soziolog/innen streben in der Ausübung ihres Berufes nach wissenschaftlicher Integrität und Objektivität. Sie sind den bestmöglichen Standards in Forschung, Lehre und sonstiger beruflichen Praxis verpflichtet. Geben sie fachspezifische Urteile ab, sollen sie ihr Arbeitsgebiet, ihren Wissensstand, ihre Fachkenntnis, ihre Methoden und ihre Erfahrungen eindeutig, angemessen und nachvollziehbar darlegen.
Dementsprechend sollen Soziolog/innen auch geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein möglicher Missbrauch und daraus resultierend nachteilige Auswirkungen auf Auftraggeber/innen, Forschungsteilnehmer/innen, Kolleg/innen, Studierende und Mitarbeiter/innen vermieden werden.
Soziolog/innen tragen große soziale Verantwortung, da durch ihre Empfehlungen, Aussagen und Entscheidungen das Leben ihrer Mitmenschen stark beeinflusst wird.
Für die Berufsausübung ist eine besondere Qualität der Ausbildung notwendig. Wer sich als Soziologe/Soziologin bezeichnet, sollte Soziologie, Sozialwirtschaft oder eine ähnliche Disziplin studiert, die Leistungsnachweise erbracht und zumindest einen akademischen Grad erworben haben, um als professioneller Soziologe/Soziologin zu gelten.
Das Profil bzw. der Kompetenzbereich von Soziolog/innen ist abhängig von der absolvierten Universität/Hochschule und von der Auswahl der jeweiligen Schwerpunkte sowie der in Weiterbildung erworbenen Kompetenzen– zum Beispiel Gesundheitssoziologie, Entwicklungssoziologie, Organisationssoziologie etc.
Das durch die Arbeit mit theoretischen Modellen geschulte analytische Denkvermögen und die entsprechende Argumentationstechnik sind u.a. wesentliche Qualifikationen, die am Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Soziolog/innen trachten bei ihrer Tätigkeit danach, diese Kompetenzen laufend zu erweitern und zu vertiefen.
Durch ihre fächerübergreifende Betrachtungsweise sind Soziolog/innen dafür prädestiniert, „Brücken“ zu anderen Disziplinen zu schlagen.
Mehr zum Thema Soziologie finden Sie im soziologischen Fachmagazin „soziologie heute“
Rückfragen und weitere Informationen: martin.stieger@liwest.at
Prof. Dr. Dr. Martin G. Stieger
Träger des BSÖ-Commitment-Siegel
Professur für Berufsbildung und Wirtschaftspädagogik
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